Zoll Selb erläutert Vaginalkontrollen im TV - Datenschutz prüft

Kabel 1: Achtung Kontrolle: Vaginalkontrolle mit dem Zoll Selb

Der Zoll Selb zeigt seine Arbeit in der Dienststelle: Befragungen von Personen und Untersuchungen von Kfz. Die positiven Ergebnisse inklusive Funden aus Vaginalkontrollen werden ausführlich kommentiert. Auf die Personen, die von den Maßnahmen betroffen sind, wird dabei anscheinend keine Rücksicht genommen.

http://www.kabeleins.de/doku_reportage/achtung_kontrolle/videos/ganze-folgen/clip_28-3-keine-chance-fuer-drogenschmuggler_166178/ [aufgerufen am 03.04.2011]

Penforce Germany hat den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit informiert und wartet interessiert auf das Ergebnis.

Die Einzelheiten:
  • Die Beamtin Annette Guth und der Beamte Thomas Zitzmann befragen einen
    Verdächtigen und durchsuchen dessen Kfz. Die betroffene Person wird mit Bild und Ton
    aufgezeichnet. Bei der Ausstrahlung ist der Kopf der Person elektronisch unkenntlich
    gemacht, Körper, Kfz und Stimme nicht.
  • Der Verdacht, dass die Person zu verzollende Gegenstände mit sich führt, bestätigt sich (Zigaretten).
  • Der Verdacht, dass die Person eine verbotene Waffe mitgeführt hat, wird ausführlich
    verfolgt, bestätigt sich aber nicht.
  • Die Beamten präsentieren dem Kamerateam immer wieder Sachverhaltsschilderungen
    und -bewertungen.
  • In der Dienststelle des Zolls Selb wird die Durchsuchung und Befragung von vier
    verdächtigen Personen gefilmt. Das Kfz wird durchsucht. Die betroffenen Personen
    werden mit Bild und Ton aufgezeichnet. Bei der Ausstrahlung sind die Köpfe der
    Personen elektronisch unkenntlich gemacht, Körper, Kfz und Stimmen nicht.
  • Das Ergebnis eines Drogenwischtests wird dem Kamerateam erläutert. Der
    Amphetamintest fällt positiv aus.
  • Die weiblichen Personen werden zu einer körperlichen Untersuchung durch eine
    Zollbeamtin gebeten. Das Ergebnis (hier negativ) wird dem Kamerateam erläutert. Ein
    Verdacht bleibe trotzdem bestehen.
  • Gegenüber den weiblichen Verdächtigen wird eine ärztliche Untersuchung angeordnet.
    Das Kamerateam begleitet die Zollbeamten und die Verdächtigen ins Krankenhaus.
  • Das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung wird dargestellt und erläutert: Man habe in
    der Vagina einer der Verdächtigen zwei Kondome mit mehr als 7 g Marihuana und mehr
    als 13 g Speed gefunden. Damit sei beim Speed die nicht geringe Menge überschritten.
    Da die Verdächtige „kein unbeschriebenes Blatt“ sei, drohe eine Haftstrafe von bis zu
    drei Jahren.

Polizei Hannover: Landesdatenschutzbeauftragter Niedersachsen sieht keinen Handlungsbedarf

Penforce Germany sagt: Diese Bewertung überrascht, da sie nicht mit der rechtlichen Aussage aus der Entschließung zum Reality-TV vereinbar ist. Penforce Germany hat die Behörde gebeten, die Einschätzung noch einmal zu überprüfen.

TIMELINE: Der Landesdatenschutzbeauftragte Niedersachsen prüft seit 11 Monaten.

Der Landesdatenschutzbeauftragte teilt am 21.06.2011 mit: Die Polizeidirektion Hannover habe den Fall geprüft und mitgeteilt, dass der im Film festgenommene „Tatverdächtige“ mit dem betroffenen Medienunternehmen einen Vertrag über die Ausstrahlung der Filmsequenz in der TV-Sendung „Achtung Kontrolle“ abgeschlossen habe (= Einwilligung zur Verarbeitung seiner Daten); die Polizeidirektion das Medienunternehmen wegen der Verwendung des Beitrages für sog. „Reality TV“ abgemahnt habe. Vor diesem Hintergrund werde unter datenschutzrechtlichen Aspekten keine Veranlassung gesehen, der Angelegenheit weiter nachzugehen.

Diese Einschätzung geht an der Sache vorbei.

Penforce Germany erläutert gegenüber dem Landesdatenschutzbeauftragten Niedersachsen die Einzelheiten:

Es geht datenschutzrechtlich nicht erst um die Ausstrahlung der Filmsequenz (Medienprivileg), sondern bereits um die Datenübermittlung durch die Polizei an das Medienunternehmen, indem dieses durch zielgerichtete behördliche Unterstützung in die Lage versetzt wurde, personenbezogene Filmaufnahmen anzufertigen. Ein Vertrag zwischen dem Tatverdächtigen und dem Medienunternehmen über die Ausstrahlung kann allenfalls dann als konkludente Einwilligung für die Aufnahme gewertet werden, wenn angenommen wird,
  • dass das Medienunternehmen die Begleitung der Polizei und die vom Tatverdächtigen eigens für das Fernsehen begangene vermutete Straftat zeitlich koordiniert hat und
  • der Tatverdächtige die gezeigten Szenen geschauspielert hat.
Dies erscheint sehr unwahrscheinlich – auch angesichts der folgenden bereits geschilderten Umstände:
  • Der Atemalkoholtest ergibt 2,36 Promille BAK.
  • Der Beschuldigte erscheint nicht mehr dazu fähig, sich für die Blutabnahme aufzurichten.
Selbst eine angenommene Einwilligung in die Aufnahme kann sich nicht auf unvorhersehbare Aktionen beziehen, mit denen unter Einfluss von Alkohol in dieser Konzentration zu rechnen ist (mangelnde Bestimmtheit des Einwilligungsgegenstands).

Es ist davon auszugehen, dass die Szenen (inklusive Alkoholtest) nicht von der Polizei für das
Medienunternehmen inszeniert wurden, da die Polizeidirektion das Unternehmen wegen der Ausstrahlung abgemahnt hat.

Mit einem Vertrag zwischen dem Tatverdächtigen und dem Medienunternehmen über die Ausstrahlung der Filmsequenz wird übrigens erst recht nicht die Frage beantwortet, wie die Aufnahme von Zeugen und von Beschäftigten der Polizei datenschutzrechtlich zu bewerten ist.

Schließlich stellt sich auch die Frage, wieso die Polizeidirektion einerseits mit dem Medienunternehmen zusammengearbeitet hat (z. B. durch Mitnahme zum Einsatzort und in die Gewahrsamszelle) und nun das Medienunternehmen wegen der Ausstrahlung des Beitrags abgemahnt hat.

Behörden dürfen keine Fernseh-Teams mitnehmen, wenn sie staatliche Gewalt ausüben

Reality-TV, bei dem Beschäftigte von Behörden ein Fernseh-Team mit zur Arbeit nehmen, ist nach deutschem Recht meistens verboten. Scipted Reality, bei der die betroffenen Personen mitspielen, und Fälle, in denen die Betroffenen wirklich freiwillig ihre Einwilligung geben, sind Ausnahmen.

Penforce Germany sagt:
Behörden dürfen keine Fernseh-Teams mitnehmen, wenn sie staatliche Gewalt ausüben. Jedenfalls in diesen Fällen kann nicht von einer freiwilligen Einwilligung der betroffenen Personen ausgegangen werden.

Penforce Germany ermutigt die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder dazu, alle Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusetzen, um zu verhindern, das Behörden in solchen Fällen gegen die Menschenwürde und gegen das Datenschutzrecht verstoßen.


Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in Ihrer Reality-TV-Entschließung Folgendes festgehalten:

„Wird das Fernsehen durch zielgerichtete behördliche Unterstützung in die Lage versetzt, personenbezogene Filmaufnahmen anzufertigen, ist dies rechtlich als Datenübermittlung an private Dritte zu werten. Für einen solchen massiven Eingriff in das Datenschutzgrund­recht der Betroffenen gibt es keine Rechtsgrundlage. Der Staat, der die Betroffenen zur Duldung bestimmter Eingriffsmaßnahmen zwingen kann, ist grundsätzlich nicht befugt, Dritten die Teilnahme daran zu ermöglichen. Auch das Vorliegen einer wirksamen vorheri­gen Einwilligung der Betroffenen wird regelmäßig zweifelhaft sein. Für eine solche Einwilli­gung ist es insbesondere notwendig, die betroffene Person rechtzeitig über Umfang, Dau­er und Verwendungszwecke der Aufnahmen aufzuklären und auf die Freiwilligkeit seiner Einwilligung hinzuweisen. Angesichts der Überraschungssituation sowie der mit dem staat­lichen Eingriff nicht selten verbundenen Einschüchterung ist hier eine besonders sorgfälti­ge Prüfung geboten.“

Quelle:
http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Entschliessungssammlung/DSBundLaender/78DSK_RealityTV.html?nn=409240

Penforce ist im Netz

Penforce startet eine Webpräsenz: Schon lange wurde eine eigene Homepage angekündigt. Jetzt ist es soweit: Nun können die Anliegen und Aktionen auch im Internet verfolgt werden.

Die Seite befindet sich zurzeit im Aufbau. Inhalt und Funktionalitäten werden sich kontinuierlich verbessern. Es lohnt sich also, wieder vorbeizuschauen...

Penforce Germany: Privatheit schützen und respektieren

Penforce Germany ermutigt öffentliche und private Stellen, die Privatheit zu respektieren und zu schützen.

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Gegen Reality-TV mit Behörden: Penforce informiert die Datenschützbehörden.

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